Nicht zu kommunizieren, wäre der falsche Schritt. Die eigene Positionierung sollte auch in diesen Zeiten nicht außer Acht gelassen werden. Sascha Theobald erklärt im Interview, worauf es jetzt ankommt.
Zu Krisenzeiten stehen die Existenz des eigenen Unternehmens und das Wohl der Mitarbeiter an erster Stelle. Darüber müssen wir gar nicht diskutieren. In diesen Zeiten ist es daher auch wichtig, zu kommunizieren. Wer nicht kommuniziert, erreicht seine Zielgruppe nicht. Ohne Zielgruppenansprache keine Kunden. Ohne Menschen, die Dienstleistungen und Waren kaufen, kein Geschäft und keine Arbeitsplätze.
Kommunikation ist eng mit der Unternehmensexistenz verknüpft – sie beeinflusst Umsatz, Sichtbarkeit und Vertrauen. Allein deswegen, sollte sie auch jetzt nicht vernachlässigt werden. Doch damit tun sich viele Unternehmen schwer.
Ich habe darüber nachgedacht, wie man Kommunikatoren, Freiberuflern, Agenturen und Unternehmen noch einmal verdeutlichen kann, wie wichtig die eigene Kommunikationsarbeit und die eigene Positionierung derzeit sind. Und ich hätte keinen besseren Interviewpartner für dieses komplexe und schwierige Thema finden können: Denn Sascha Theobald beschäftigt sich seit vielen Jahren genau mit diesen Themen.
Über den Interviewpartner
Interview: Über Krisenzeiten, Kommunikation, Kernbotschaften und die Sache mit der Positionierung
Wir sprechen nicht nur über die Wichtigkeit von Kommunikation, sondern auch über das Thema Positionierung. Denn Positionierung – wenn richtig umgesetzt – prägt das Unternehmen und dessen Erfolg maßgeblich.
Warum ist die Positionierung für die Kommunikation gerade in Krisenzeiten wichtig?
Jetzt nicht zu kommunizieren wäre für Selbständige und Unternehmen gefährlich. Wer den Kopf in den Sand steckt und seine Kommunikation runterfährt, wird das gleich auf mehreren Ebenen zu spüren bekommen.
- Umsatz: Natürlich brauchen Selbständige und Unternehmen weiter Umsatz. Wer seine Aktivitäten jetzt aussetzt, gefährdet sein Business.
- Sichtbarkeit: Wer jetzt über Wochen und Monate für die Menschen nicht stattfindet, riskiert in der Belanglosigkeit zu versinken. Wettbewerber zeigen auch in der Krise Präsenz und gewinnen loyale Kunden.
- Vertrauen: Die Menschen nehmen jetzt sehr genau wahr, wer in der Krise da ist. Wer Kunden, Mitarbeiter und Partner transparent und konstruktiv informiert. Nun zeigt sich, wer den Menschen wirklich zur Seite steht und das Vertrauen verdient hat.
Die Positionierung ist besonders in dieser Krisenphase das unerschütterliche Fundament für Verhalten und Kommunikation. Sie gibt Orientierung. Als Unternehmen leite ich aus der Positionierung meine Rolle in der Krise ab und baue darauf eine passende und relevante Kommunikation auf.
Aber natürlich ist eine klare Positionierung auch für die Wirkung entscheidend. Werden Sie in diesem Gewimmel überhaupt wahrgenommen? Haben Sie klare, relevante Botschaften? Nehmen die Menschen klar war, wofür Sie stehen? Sind es Ihre Botschaften wert, in Erinnerung zu bleiben? Das kann ein Unternehmen nur erreichen, wenn es eine klare Positionierung erarbeitet hat und diese konsequent umsetzt.
Die Positionierung ist besonders in dieser Krisenphase das unerschütterliche Fundament für Verhalten und Kommunikation.
Müssen Kernbotschaften, die man für seine Kommunikation erstellt hat, in Krisenzeiten angepasst werden?
Kernbotschaften gibt es auf verschiedenen Ebenen. Da sind zum einen die Kernbotschaften, die eine Positionierung auf den Punkt bringen. Die transportieren, wofür ein Unternehmen steht. Das ist das, was den Menschen zum Unternehmen im Kopf hängen bleiben soll. Sie gehören zum Fundament der Kommunikation. Aber auch Produkte, Blog-Beiträge, Vorträge oder Kampagnen sollten jeweils eigene Kernbotschaften haben, die auf dem Fundament basieren.
Was heißt das jetzt für die aktuelle Krisensituation? Natürlich sollten Selbständige und Unternehmen nicht an ihren grundlegenden Kernbotschaften rütteln. Aber sie sollten auf der Basis neue Kernbotschaften formulieren, die ihre Haltung und ihre Mission in dieser Phase auf den Punkt bringen.
REWE geht seit einigen Jahren mit dem Claim »Dein Markt« raus. Aktuell kommunizieren sie die Botschaft »Ihr könnt euch auf uns verlassen.«. Sie vermittelt klar die Rolle als verlässlicher Partner in dieser unsicheren Zeit. Es ist ihr roter Faden für die Kommunikation in der Krise.
Aber sie sollten auf der Basis neue Kernbotschaften formulieren, die ihre Haltung und ihre Mission in dieser Phase auf den Punkt bringen.
Gerade jetzt scheint die Informationsflut noch größer zu sein als zuvor. Was können Unternehmen und Kommunikatoren tun, damit ihre Positionierung und ihre Kernbotschaften bei den richtigen Menschen landen?
Nicht nur die Flut an Botschaften scheint größer geworden zu sein – die Rahmenbedingungen für die Kommunikation haben sich massiv geändert. Werbefloskeln und eine reine Produktkommunikation haben es schon länger schwer. Aktuell haben Unternehmen keine Chance, damit Resonanz zu erzeugen. Jetzt geht es darum, nützliche Informationen zu teilen, Tipps zu geben und zu helfen. Sich selber ein Stück zurückzunehmen und für die Menschen da zu sein.
Eine schwammige Kommunikation läuft eh ins Leere. Nun sind das Gewimmel und die Sorgen noch größer. Wer seine Botschaften jetzt nicht klar auf den Punkt bringt und eine klare Haltung an den Tag legt, hat keine Chancen durchzudringen. Auch jetzt geht es darum, mit klaren Botschaften und nützlichen Inhalten Resonanz zu erzeugen. Dafür ist es wichtig, genau hinzuhören, was die Menschen bewegt und was sie jetzt wirklich brauchen.
In vielen Branchen wird das Geld der Kunden knapper fließen. Es ist gerade jetzt wichtig, als erste Wahl und vertrauenswürdiger Partner im Gedächtnis zu bleiben. Wer klar positioniert ist, seine Botschaften klar formuliert hat und lebendig kommuniziert, hat den Vorteil auf seiner Seite.
Jetzt geht es darum, nützliche Informationen zu teilen, Tipps zu geben und zu helfen. Sich selber ein Stück zurückzunehmen und für die Menschen da zu sein.
Welche Merkmale zeichnet besonders gute und klare Kommunikation derzeit aus? Kannst du dafür ein bis zwei Beispielunternehmen nennen?
Jetzt kommt es besonders darauf an, flexibel, nahbar und empathisch zu sein. Eine direkte, lebendige und ehrliche Kommunikation erreicht Menschen und schafft Vertrauen. Gerade der Kopf oder das Gesicht des Unternehmens sollten präsent sein und Haltung zeigen.
Jetzt ist nicht die Zeit, lange Konzepte zu schreiben. Trotzdem braucht es ein gutes strategisches Fundament für den Krisenmodus. Wer eine klare Positionierung hat, wird seine Kommunikation schneller anpassen können ohne in blinden Aktionismus zu verfallen. Es geht jetzt nicht darum, mit halbausgegorenen Angeboten den schnellen Euro zu machen. Unternehmen haben jetzt das Potenzial Haltung zu zeigen, ihre Glaubwürdigkeit zu stärken und echte Loyalität zu schaffen. Und das wird sich auch langfristig positiv auswirken.
Zwei Beispiele für eine gelungene Kommunikation sind mir besonders aufgefallen.
- GLS Bank: Die GLS Bank arbeitet nach dem Grundsatz »Geld ist für die Menschen da.«. In der Krise haben Sie sehr schnell einen Fond unter dem Hashtag #KunstNothilfe für KünstlerInnen aufgesetzt und Spenden gesammelt. So konnten innerhalb von 5 Tagen 46.000 Euro unbürokratisch ausgezahlt werden. Die Bank hat ihre Mission ernst genommen, Verantwortung übernommen und die Ärmel hochgekrempelt. Das sind die Botschaften, die bei den Menschen wirklich Eindruck machen und in Erinnerung bleiben.
- Der Bauernhof aus dem Nachbardorf: Der Bauernhof nutzt seit einiger Zeit Instagram, um Einblicke in das Hofleben zu geben und auf das Angebot in Hofcafé und Hofladen hinzuweisen. In der Krise wendet sich die Inhaberin regelmäßig persönlich an die Follower. Sie beschreibt offen die Situation und welche Maßnahmen ergriffen wurden. Sie teilt Sorgen, Unsicherheiten aber auch gute Momente und Zuversicht. Die Kommunikation ist sehr persönlich und offen. Es entsteht eine Loyalität, die in dieser Zeit so wertvoll ist.
Wichtig ist aber auch, Fettnäpfchen zu vermeiden. Wer gerade vermittelt, dass er die Krise ausnutzt, um aus ihr Kapital zu schlagen, zieht schnell Unmut auf sich. Die Menschen sind in diesen Dingen sehr sensibel und werden sich merken, wie sich Unternehmen in der Krise verhalten haben. Adidas, Deichmann, H&M & Co. haben kürzlich gemeldet, dass sie die Mietzahlungen aussetzen werden. Die Menschen haben das den Marken übel genommen. Ein Shitstorm tobt durch die Social Media – und auch Politik und Journalisten urteilen mit klaren Worten. Welche Auswirkungen der Shitstorm dann später tatsächlich auf die Umsätze hat, wird sich zeigen. Aber die Marke leidet. Alles kommuniziert! Keine Mieten zu zahlen, ist nicht nur eine wirtschaftliche Entscheidung, sondern sendet auch eine Botschaft. Marken müssen sich dessen bewusst sein.
Eine direkte, lebendige und ehrliche Kommunikation erreicht Menschen und schafft Vertrauen.
Wie können Unternehmen jetzt ihre Stärken kommunizieren ohne überheblich zu wirken?
Erst mal ist es wichtig, seine Stärken wirklich zu kennen. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es bei vielen hier schon massiv hapert. Viele Menschen sehen ihre Stärken nicht mehr als etwas Besonderes – die Betriebsblindheit lässt grüßen. Es geht darum, sich von der glattpolierten Zertifikatsschau zu lösen und stattdessen den Menschen anschaulich zu vermitteln, wie sie besonders gut helfen können. Und das kann dann trotz gleichem Beruf bei jedem Menschen sehr unterschiedlich sein.
In Texten, Videos oder Podcasts können Fachmenschen gut zeigen, was sie können, welche besondere Haltung und welche Erfahrung sie haben. So lassen sie die Menschen an ihrer Arbeit teilhaben. Ich nenne das gerne »die virtuelle Bürotür öffnen«. Die Social Media bieten dafür wunderbare Möglichkeiten. Ihre Haltung sollten Selbständige und Unternehmen konsequent leben. Verbiegen sie sich nicht, um möglichst allen Menschen zu gefallen, werden sie für passende Menschen glaubwürdiger und interessanter.
Lassen sie die Menschen an ihrer Arbeit teilhaben. Ich nenne das gerne »die virtuelle Bürotür öffnen«.
Es gibt Unternehmen, die digital kommunikativ ganz am Anfang stehen, aber jetzt sehr schnell diese Kommunikation aufbauen müssen. Womit sollten sie zuerst anfangen?
Jetzt spüren viele Unternehmen, wie wichtig es ist, sich frühzeitig mit den strategischen Grundlagen (Positionierung, Kernbotschaften usw.) zu beschäftigen. Auch eine loyale Community sollte da sein, bevor man sie braucht. Das alles erst in der Krise aufzubauen ist nicht einfach.
Wer jetzt starten will, sollte sich dennoch die Zeit nehmen, sich mit den strategischen Grundlagen zu beschäftigen. Positionierung, Kernbotschaften & Co. müssen sitzen. Ohne die landen sie im Aktionismus, verpulvern Ressourcen und werden kaum Wirkung spüren.
Zusätzlich habe ich für den Start in die digitale Kommunikation 5 Tipps gesammelt:
- Starten Sie fokussiert! Statt direkt auf allen Partys zu tanzen, sollten Sie mit einer reduzierten Auswahl starten und die dann mit vollem Engagement aufbauen.
- Keine Verzweiflungstaten! Einen echte Community mit verzweifelten Verkaufsaktionen oder »Social Selling«-Spam aufzubauen, wird nicht funktionieren. Ganz im Gegenteil: Sie riskieren eine nachhaltige Schädigung Ihres Rufes.
- Seien Sie Mensch! Verstecken Sie sich nicht hinter einer glattpolierten Markenfassade. Das funktioniert nicht. Kommunizieren Sie persönlich, lebendig und mit klaren Botschaften. Kommunizieren Sie von Mensch zu Menschen.
- Verabschieden Sie sich vom Perfektionismus! Basteln Sie nicht ewig am vermeintlich perfekten Auftritt. Digitale Kommunikation darf unperfekt sein. Das wirkt glaubwürdiger. Zudem bremst Perfektionismus aus und torpediert Ihren Erfolg.
- Lassen Sie sich nicht wuschig machen! Viele Buzzword-Experten predigen irgendwelche Erfolgsrezepte und Must-haves. Sie müssen nicht zwingend auf Facebook sein oder Videos machen! Gehen Sie Ihren eigenen Weg. Das dann aber konsequent.
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