Es gibt unzählige Plattformen, soziale Netzwerke und Dienste. Wie lässt sich ihre Verbreitung und Nutzung rechtfertigen? Was sind Alleinstellungsmerkmale? Finde es heraus im Artikel.
YouTube, Facebook, Instagram. Snapchat, TikTok und Twitter (Pardon „X“). LinkedIn und Xing. Twitch, Reddit, Threads und, und, und. Es ist doch wahnwitzig, wie viele Plattformen, soziale Netzwerke und Dienste es heutzutage gibt. Bitte einmal alle Hände hoch, wem es noch so geht wie mir! Oder bin ich etwa die Einzige, die sich wundert, wozu wir stetig etwas Neues brauchen? Denn mal ehrlich: Das Rad erfindet doch nun wirklich niemand neu, oder?
Der Boom von TikToks „Tanzvideos“ avancierte schnell zum globalen Erfolgsmodell. Den Zug wollte Meta natürlich keinesfalls verpassen und erschuf kurzerhand Instagram Reels. Google setzte mit YouTube Shorts nach und nachdem Elon Musk Twitter alias X erfolgreich zum Aussterben verurteilt hatte, zog Meta mit Threads nach.
Aber ich will fair bleiben und den Plattformen nicht direkt von Anfang ihre Daseinsberechtigung streitig machen. Dank eigener Erfahrungen mit Social-Media-Marketing weiß ich, dass hinsichtlich Funktionsweise, Handhabung und Format durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Plattformen existieren. Dennoch frage ich mich (ich glaube berechtigterweise), ob diese häufig nur marginalen Unterschiede ausreichen, um die Vielzahl an sozialen Netzwerken und das damit verbundene Chaos in der Medienlandschaft zu rechtfertigen. Im Weiteren will ich ergründen, was die einzelnen Dienste auf dem Kasten haben und ob wir das Social-Media-Angebot nicht vielleicht doch auf einige wenige einstampfen könnten?
Als Social Media eine eigene Wissenschaft wurde
Ehrlicherweise bringt mich meine eigene Sorge vor der Zukunft dazu, diesen Kommentar zu schreiben. Es macht mich schlichtweg nervös, wenn ich beobachte, wie viel sich im Social-Media-Marketing verändert und was an neuen Technologien und Diensten hinzukommt. Nicht nur, dass wir auch schon ohne die neuesten Emporkömmlinge mit 0815-Unterhaltung, aufdringlichen Product-Placements von Influencern und schlecht gemachter Werbung beschallt werden. Es bedeutet immer auch, dass man sich in ein neues „System“ einarbeiten muss – sich die spezifische Handhabung und die „Spielregeln“ aneignen muss.
Für mich ist genau das die große Herausforderung, denn als Marketer, Content Creator – oder inwiefern auch sonst du beruflich mit Social-Media-Marketing in Berührung kommst – um up-to-date zu bleiben, musst du dich mit jeder neuen Plattform (und wenn es zumindest nur in Grundzügen ist) auseinandersetzen, über Vor- und Nachteile Bescheid wissen und das jeweilige Marketing-Potential für unterschiedliche Branchen, Services, Produkte und Marken einzuschätzen wissen. Auch wenn es zuweilen in größeren Werbeagenturen oder Kommunikationsabteilungen Experten für spezifische Social-Media-Plattformen gibt, im „normalen“ Berufsleben reicht es vielfach eben nicht aus, sodass man in den Status des „Generalisten“ gezwungen wird.
Nicht nur ein ziemlicher Druck, der auf den Schultern unseres Berufsbildes lastet, wie ich finde. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es mental zermürbend ist. Zum einen, wenn man ständig auf der Hut sein muss, extra zehn verschiedene Newsletter abonniert, fünf Podcasts hört und drei YouTubern folgt, nur um auf dem Laufenden zu bleiben, weil man andernfalls im Berufsleben auf der Strecke bleibt. Zum anderen, weil der Social-Media-Dschungel, die permanent hohen Bildschirmzeiten sowie die Medien- und Reizüberflutung nachweislich eine psychische Belastung darstellen.
Dennoch: Weiterentwicklungen, Fortschritt und Veränderungen sind völlig normal. Sie können sogar etwas positives bergen und perspektivisch Chancen oder Möglichkeiten eröffnen. Bei Social Media sehe ich das insbesondere in puncto Meinungsfreiheit und Kreativität. Denn die verschiedenen Plattformen laden ein, die eigene Passion auszuleben. Hier findet jeder seinen Platz – sei es, um sich mit Gleichgesinnten zu bestimmten Themen auszutauschen oder konträre Meinungsbilder zu diskutieren oder um literarisch, musikalisch, film- und fotographisch Medien selbst zu kreieren.
Auch wenn es zuweilen in größeren Werbeagenturen oder Kommunikationsabteilungen Experten für spezifische Social-Media-Plattformen gibt, im „normalen“ Berufsleben reicht es vielfach eben nicht aus, sodass man in den Status des „Generalisten“ gezwungen wird.
Social Media Kurzclips und (Foto-) Blogging
Instagram: Instagram ist als soziales Netzwerk nicht wegzudenken. Von Beginn an (erschien 2012) lag der Fokus auf Video- und Foto-Sharing als eine Art Mischung aus Micro-Blogging und audiovisueller Plattform. Das hat sich nachhaltig so erfolgreich durchgesetzt, dass Instagram mittlerweile zur beliebteren Social-Media-Plattform von Meta, der Firma hinter Diensten wie Facebook, Instagram und WhatsApp, geworden ist.
TikTok: Manch einer mag sich vielleicht dunkel an die Anfänge von TikTok unter dem Namen musical.ly in den Jahren vor 2018 erinnern. Damals lag die Kernfunktion des Videoportals in der Lippensynchronisation von Musikvideos und anderen kurzen Videoclips. Darauf beschränkt TikTok sich schon lange nicht mehr. Das besondere Format der TikToks, die sogenannten Verticals in 9:16 fand so viel Anklang, dass Meta es für die Instagram Stories und Reels (Name für Videos auf Instagram) ebenfalls übernahm. Nachdem TikTok lange Zeit als Vorreiter galt, dessen Funktionen von anderen übernommen wurden, schaute sich der Dienst ebenfalls einige Features von Wettbewerber Instagram ab. Zum Beispiel das Live, die Story-Funktion sowie Bild- und Text-Slides, die von der bisherigen Idee des Videoportals abwichen.
Snapchat: Snapchat kennen wir seit 2011. Es unterscheidet sich durch sein Messaging von anderen sozialen Mediendiensten, da es anstelle von Chats in einseitig ausgerichteten Channels organisiert ist. Das bedeutet, Inhalte werden temporär mit anderen geteilt, können aber nur angeschaut, nicht direkt kommentiert oder geliked werden und verschwinden nach einiger Zeit wieder. Im Gegensatz zu WhatsApp fokussiert sich das Messaging auf Inhalte wie Fotos und Videos, weniger auf Textnachrichten. Snapchats Kernfunktion lässt sich mit Instagram Stories vergleichen, die sich auch nach 24 Stunden automatisch selbst löschen.
YouTube vs. Twitch
Twitch kann man eine Nähe zu YouTube zuschreiben. Beide Plattformen bedienen sich seit jeher Videoformaten, die im Gegensatz zu TikTok und Instagram keine Verticals sind, sondern sowohl in 16:9 erscheinen als auch vom Publikum eine längere Aufmerksamkeitsspanne erfordern als kurzweilige 60 Sekunden:
YouTube begleitet uns seit 2005 und ist seit jeher für Streamer bekannt, die beispielsweise Let’s plays im Gaming-Bereich aufnehmen, Tutorials für DIY-Projekte hochladen, ihren eigenen Vlog betreiben, Sport-Workouts und vieles mehr online zur Verfügung stellen. Es wurden aber immer auch schon Musikvideos, Trailer, Dokus, oder Auszüge aus TV-Shows oder Spielfilmen publiziert. Um den Trend der Verticals nicht zu verpassen, wurden YouTube Shorts eingeführt, ebenfalls Kurzclips im 9:16-Format.
Twitch (2011) zeichnet sich vor allem als Live-Streaming-Videoportal aus, bei dem es darum geht in Echtzeit zu Streamen und mit den Zuschauern via Chat zu interagieren. Live-Übertragungen gibt es auch auf YouTube, sind aber nicht so verbreitet wie bei Twitch. Twitch-Streams können auch zu späteren Zeitpunkten noch abgerufen werden.
Berufs- & Jobnetzwerke
LinkedIn und Xing sind die populärsten Dienste in der Sparte Berufs- und Jobnetzwerke. Im Unterschied zu allen bisher vorgestellten Social-Media-Plattformen soll es hier vorrangig um die Pflege und den Ausbau von Geschäftskontakten gehen, um Jobgesuche und -vermittlung sowie die Promotion von Marken und Unternehmen. Damit geht auch eine thematische Ausrichtung auf den beiden Kanälen einher, die sich in der Berufswelt verordnet.
Im Laufe der Zeit tauchten immer auch Parallelen zu Instagram und Co. auf, die zum Teil vergingen oder blieben. So gab es ebenfalls Stories und bis heute liegt der Fokus stark auf Bild-Text-Postings. Thematisch rücken die Plattformen je nach gesellschaftlicher Lage zuweilen vom Business-Fokus ab und nähern sich durch Lifestyle-Themen oder Politik an Instagram an.
Social Media – irgendetwas zwischen Wahnsinn und Bereicherung
Social Media macht mich wahnsinnig. Punkt, aus, fertig. Phasenweise bin ich richtig erschöpft von alledem. Dann aber denke ich mir wieder, wie inspirierend mancher Content ist, wie grandios es ist, dass man seiner Kreativität freien Lauf lassen und sie mit der Welt auf einfachem Weg teilen kann. Und ohne geht es sowieso nicht mehr, machen wir uns nichts vor!
Es ist schwierig, eine eindeutige Antwort darauf zu finden, ob und welche Dienste sich streichen ließen. Ob wir Social Media im Leben oder Alltag brauchen, ist noch einmal eine ganz andere Frage. Im Kernkonzept, von der Grundidee her, unterscheiden sie sich eigentlich alle voneinander und haben dadurch eine gewisse Daseinsberechtigung. Das jeweilige Alleinstellungsmerkmal geht bloß leider verloren, wenn ein Betreiber beim anderen klaut. Und dank Profitgier passiert das leider nahezu immer. In meinen Augen ist das sehr schade, denn es entsteht gewissermaßen ein Einheitsbrei. Das Gute am Brei: Jeder Nutzer kann ihn nach persönlichem Geschmack würzen. Damit meine ich sowohl, dass wir alle die persönliche Freiheit haben, zu entscheiden, welche Social-Media-Plattform wir nutzen wollen als auch wozu.
Es gibt viele Vertreter, die einem weißmachen wollen, dass man die komplette Palette an Plattformen und Diensten auf dem Radar haben muss, will man in Marketing und Co. mitreden. Ich sage, das ist ein Trugschluss. Jeder sollte nach seinen individuellen Präferenzen gehen. Das schließt doch auch nicht aus, dass man Trends und Entwicklungen im Social-Media-Marketing grundsätzlich im Blick behält.
Zudem ein Hoffnungsschimmer: Neue Dienste tauchen zwar ständig auf, dafür verschwinden alte aber auch wieder (bspw. Facebook) oder die neuen können sich langfristig nicht erfolgreich etablieren. Das macht Mut dafür, dass das Chaos vielleicht doch nicht allzu sehr überhandnimmt. Also ja, für mich mutet es manchmal tatsächlich einer Hassliebe an.
Es gibt viele Vertreter, die einem weißmachen wollen, dass man die komplette Palette an Plattformen und Diensten auf dem Radar haben muss, will man in Marketing und Co. mitreden. Ich sage, das ist ein Trugschluss. Jeder sollte nach seinen individuellen Präferenzen gehen. Das schließt doch auch nicht aus, dass man Trends und Entwicklungen im Social-Media-Marketing grundsätzlich im Blick behält.
Über die Kommentatorin
Madeline Kolletzki
Als studierte Germanistin, Literatur- und Kommunikationswissenschaftlerin liegt Madelines Leidenschaft in authentischer und emotional-ergreifender Kommunikation. Sie ist Redakteurin für Print und Online, PRlerin, Marketing Managerin, Kommunikationsexpertin und schreibt für ihren eigenen Blog. Auf dem schreibt sie über ihre Reisen, Erlebnisse mit Yoga und Meditation, die neuesten literarischen Glanzstücke oder über alles andere, was sie sonst noch so bewegt.