Ist unser kreatives Potential im Content-Marketing schon ausgereizt? Doris Eichmeier hat sich darüber einige Gedanken gemacht.
Doris Eichmeier über eiskalte Funnel-Denke, Kuschel-Content und das kreative Potential im Content-Marketing
Doppelzüngigkeit der Unternehmen
Es gibt etwas, das mich in diesem alten Jahr schwer beschäftigt hat: die Doppelzüngigkeit der Unternehmen. Einerseits feiern sie sich für ihre Nachhaltigkeit, Transparenz, Empathie, Haltung, Authentizität, Purpose, Wellbeing, Verantwortungsbewusstsein und so weiter. Alle paar Jahre setzen sie sich ein neues Begriffs-Krönchen auf. Andererseits machen sie kein Hehl daraus, dass sie im Grunde nur das knallharte Geschäft interessiert: Umsatz, Traffic, Leads, Automatisierung.
Es entsteht manchmal der Eindruck, als hätten wir mit zwei unterschiedlichen Unternehmen zu tun. Mit zwei Weltanschauungen, die rein gar nichts miteinander zu tun haben.
Und wir im Content-Marketing? Wir müssen das ausbaden. Jeden Tag versuchen wir, diese beiden Welten zu vereinen: die emotionale, wärmende – und die berechnende, kalte. Und ehrlich? Es gelingt uns nicht besonders gut. Das hat mich beschäftigt.
Und wir im Content-Marketing? Wir müssen das ausbaden. Jeden Tag versuchen wir, diese beiden Welten zu vereinen: die emotionale, wärmende – und die berechnende, kalte. Und ehrlich? Es gelingt uns nicht besonders gut. Das hat mich beschäftigt.
Nicht wenige Content-Marketer geben der kalten Welt den Vorzug: Jenen Content, der nicht sofort und nachweisbar zum Umsatz beiträgt, verhöhnen sie als „Poesie“. Eine eiskalte Funnel-Denke durchweht dann das Content-Marketing.
Der emotionale Content wird gern am Eingang des Content-Funnels postiert. Dort soll er supersympathisch die Massen anlocken, egal wen. Emotionaler Content ist der Frühstücksdirektor des Content-Marketings. Er hat den Ruf, keine Verantwortung zu tragen und trotzdem höllisch viel zu kosten. Die weiteren Kaufphasen übernimmt dann der sales-orientierte Kollege, denn der weiß, wie man ins Geschäft kommt.
Sorry für diese Zuspitzung – aber diese Trennung ist im Content Marketing allzu häufig zu erkennen. Sie ist aber keine Lösung. Weil Menschen beides sind: zum einen logisch denkende Wesen, zum anderen gefühlsdusselige Chaoten, die viele ihrer tiefsitzenden Kaufmotive nicht kennen.
Das bedeutet: Um Kauflust zu wecken, hilft knallharte maschinelle Logik allein wenig. Wir müssen außerdem überraschen, inspirieren, Gefühle erzeugen – den kompletten Kaufprozess entlang, nicht nur zu Beginn.
„Good-Company-Content“
Genauso wenig hilft ein hübsch drapierter „Good-Company-Content“. Menschen erkennen Scheinheiligkeit sofort: wenn so getan wird, als spielte das Finanzielle ausnahmsweise mal keine Rolle. Dann glauben sie Inhalten nicht, die das Engagement für mehr Nachhaltigkeit zur Schau tragen sollen (von einer BrandTrust-Studie belegt)
Ist es nicht sonnenklar? Ambitionsloser Kuschel-Content zum Einstieg langweilt. Staubtrockener Kauf-mich-gefälligst-Content ebenso. Menschen brauchen beide Welten: die kalte und die emotionale. Aber nicht chronologisch, sondern gleichzeitig. In Kombination. Sowohl als auch. In jeder Kaufphase. In jedem Content-Stückchen.
Menschen brauchen beide Welten: die kalte und die emotionale. Aber nicht chronologisch, sondern gleichzeitig. In Kombination. Sowohl als auch. In jeder Kaufphase. In jedem Content-Stückchen.
Wunsch für das Jahr 2022
Mein Wunsch für 2022: Lasst uns überlegen, wie wir diesen beiden Welten besser zusammenbringen. (Warum haben wir überhaupt damit begonnen, diese getrennt zu denken?) Sie gehören zusammen, profitieren voneinander! Für diese Fusion brauchen wir – und hier sind wir bei Steffis schönem Advents-Thema: Kreativität. Nicht nur für den emotionalen Content, sondern genauso für den funktionalen.
Darüber sollten wir uns zum Beispiel Gedanken machen:
- Wie könnten wir für Nachhaltigkeit werben, ohne das Geschäftsinteresse zu verschweigen?
- Wie könnten wir unsere Haltung und Transparenz im Shop-Content ausdrücken?
Wenn Ihr mich fragt: Unser kreatives Potential im Content-Marketing ist noch nicht ausgereizt. Lasst uns hirnen, experimentieren, Neues wagen. Lasst uns Eingefahrenes in Frage stellen, das uns als Standard vorgesetzt wird. Ich bin sicher: Das verhilft unseren Unternehmen zu langfristigem Wachstum.
Und bringt bitte viel Wertschätzung, Offenheit und Neugier der jeweils anderen Welt gegenüber mit. Wir haben uns viel zu sagen.
Über die Gastautorin
Doris Eichmeier
Doris Eichmeier arbeitet als Content-Strategin und Autorin in München. Zu ihren Kunden gehören zum Beispiel Ray Sono, BrandTrust und Serviceplan. Ihr Wissen gibt sie im Masterstudiengang Content-Strategie am FH Joanneum in Graz weiter. Doris ist Mitautorin des Buchs „Die Content-Revolution im Unternehmen“, das sie mit Klaus Eck schrieb. Sie publiziert unter anderem auf Zielbar und bei BrandTrust.
Website: www.eichmeier.de
Liebe Doris, du sprichst mir aus der Seele! Und liebe Steffi, ich weiß, du denkst genauso. 🙂 Na dann packen wir’s doch an, das Content-Jahr 2022… ich freu‘ mich drauf!