Hinter dem dreizehnten Türchen verbirgt sich Dr. med. Enise Lauterbach. Sie gibt dir einen Einblick ins Gesundheitswesen und erzählt dir, wie es dort mit der Digitalisierung läuft.

Über die heutige Inputgeberin

 
Dr. med. Enise Lauterbach

Dr. med. Enise Lauterbach

Gründerin LEMOA medical

Ich bin Ärztin mit Leib und Seele. Der Appell eines langjährigen Patienten, eine App für Herzpatienten zu entwickeln ging mir so nahe, dass ich im Herbst 2018 beschlossen habe, dass ich genau das tun werde. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, technologischen Fortschritt so zu entwickeln, damit das Leben von Patienten besser und sicherer wird. Mit Expertise, Passion und ein bisschen Verrücktheit, habe ich im März 2020 einen Neustart als Gründerin eines HealthTech Start-Ups für digitale Gesundheitsanwendungen gewagt.

 

Vernetze dich mit Dr. med. Enise Lauterbach via:
Website

 

Über das Gesundheitswesen, die Digitalisierung und unausgereifte IT-Projekte

Wie hat sich deine Arbeitsweise in diesem Jahr verändert?

Meine „Arbeitsweise“ hat sich seit Anfang des Jahres wenig verändert. Als HealthTech Start-Up waren wir von Beginn an ein Remote-Team. Haben wir uns Anfang des Jahres noch getroffen, verändertes sich das schon bereits im März. Und es war klar, dass wir auf unabsehbare Zeit dauerhaft remote arbeiten werden. Die Einzige im Team, die ich alle 2 Wochen im Office treffe, ist unsere Werkstudentin.

Das verlangt eine unglaubliche Disziplin von uns allen. Einerseits ist das Vertrauen noch größer geworden und der Zusammenhalt noch stärker, anderseits ist der Wunsch von allen inzwischen sehr groß, sich einfach wieder einmal zu sehen und unsere Erfolge zusammen zu feiern und die Misserfolge gemeinsam zu betrauern.

Sportlich war, neben der Gründung pandemiebedingt Homeschooling, Homekantining und Homeoffice miteinander zu vereinbaren, ohne wahnsinnig zu werden. Ich war sehr froh nicht in einer klinischen Anstellung zu sein, denn dann hätten unsere Kinder in die Notbetreuung gemusst, denn mein Mann ist ebenfalls Arzt.

Als Oberarzt in einer Klinik, um das grässliche Wort zu benutzen, ist er somit systemrelevant. Während gefühlt ganz Deutschland bis Ende Juni zu Hause war und die Regionalschätze der Heimat entdeckten, waren wir nur zu Hause. Erstens weil mein Mann permanent in der Klinik war und zweitens, weil wir aufgrund der Situation in einer Art Dauerquarantäne waren – wir wollten nicht unnötig Patienten gefährden, wenn wir unbeabsichtigte Kontakt zu anderen Menschen haben.

 

Hast du spürbare Veränderungen in deiner Branche gesehen – gute oder schlechte?

Meine Branche ist das Gesundheitssystem. Bislang ein Ausdruck von Manifest gewordener Langsamkeit. Bislang wurde über Digitalisierung gesprochen, wenn nötig geduldet. Die COVID-19 Pandemie war wie ein Booster bezüglich Transformation der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Wir haben nicht schlecht gestaunt, was notgedrungen plötzlich alles möglich wurde.

Kollaboration war plötzlich das Thema schlecht hin, denn allein ist eine solche Pandemie nicht zu besiegen.

Veränderungen zum negativen gibt es leider auch. Der Personalbedarf in der Pflege war auch schon vor der Pandemie prekär. Das jahrelange Kaputtsparen der Krankenhäuser hat verheerende Folgen, die sich nun in aller Offensichtlichkeit zeigen. Eine Aufstockung von Intensivbetten bei weiterhin bestehendem Personalmangel auf Intensivstationen ist eine Farce. Das Aussetzen von Personaluntergrenzen und die Aushöhlung der Arbeitszeitgesetze durch gesetzliche Verordnungen werden dramatische Konsequenzen haben.

Auch der irrige Glaube, dass Digitalisierung die alleinige Lösung ist und Milliarden Gelder für unüberlegte und unausgereifte IT-Projekte in Aussicht gestellt werden ist ein sehr schlechter Anreiz und Motivator.

 

Wie hast du dieses Jahr – trotz des Chaos – Inspiration, Kreativität und/oder Produktivität –wieder– finden können?

Chaos in meinem Leben ist einfach das Futter für meine Kreativität und für mich ist das ganze Leben eine unendliche Inspiration.

Bei uns ist es immer chaotisch. Double Career Couple mit Kindern (vor allem die Mediziner) kennen es wahrscheinlich gar nicht anders. Die Gründung hat mir zusätzlich ganz schön was abverlangt, dann kam die Pandemie. Es gab Tage, da habe ich einfach ganz laut lachen müssen, so irre war die Situation.

Das einzig Gute ist, wir haben als Familie schon so viel gestemmt und das hat uns sehr zuversichtlich gestimmt, das irgendwie durchzustehen und auszuhalten. Die Kinder haben es genossen, mich rund um die Uhr exklusiv für sich zu haben. Diese überbordende Freude und Lebendigkeit unserer sehr impulsiven Kinder haben mich unheimlich glücklich gemacht, auch wenn es sehr anstrengend war. Dadurch litt dann auch etwas meine Produktivität, denn ich habe kaum Ruhe und Zeit für mich finden können. Alles kann mein einfach nicht haben ; -)

 

Hast du zwei bis drei Tipps, die du vielleicht teilen möchtest?

– LET IT GO – wenn alles zu viel wird, der beste Tipp überhaupt.

– CARPE DIEM – der zweitbeste Tipp überhaupt

– Eine Pandemie ist eine Pandemie. Ein Lebensereignis was einmalig, wenn überhaupt, in der Zeitspanne eines Lebens auftritt. Die Frage ist, was kann ich tun, dass wir als Gemeinschaft das gut durchstehen. Von daher gilt: SPREAD THE MESSAGE. STOP THE VIRUS. Die AHA-Regel einzuhalten ist wirklich nicht schwer und tut nicht weh! Sozusagen ein lebenswichtiger Tipp!

 

Gibt es sonst noch etwas, dass du loswerden möchtest?

„DREAM WITH AMBITION, LEAD WITH CONVICTION“, die Worte von Kamala Harris haben mich zu Tränen gerührt.

Als erste Frau und vor allem erste Frau mit afroamerikanischem und indischem Hintergrund ist die Juristin und Senatorin, Kamala Harris im Jahr 2020 Vice President-Elect of the United States.

Betrachtet aus der Sicht einer Frau, einer Ärztin, einer Mutter, einer Türkin, einer Muslimin und einer deutschen Bundesbürgerin ist mir die US-Wahl 2020 sehr, sehr nahe gegangen.