Buchrezension: Petra Sammer über Storytelling. Ein Buchvergleich für alle, die besser erzählen wollen: im Job, im Alltag & zu Themen, die zählen.
Wir teilen Geschichten jeden Tag: beim Kaffee mit Kolleg*innen, in den sozialen Medien oder im Freundeskreis. Aber sobald wir im beruflichen Kontext stehen, fällt uns das Erzählen plötzlich schwer.
Anstelle einer klaren, lebendigen Geschichte gibt es häufig überladene Präsentationen mit zu vielen Folien und zu wenig Verbindung zum Publikum. Dabei wäre genau das so wichtig: Menschen nicht nur zu informieren, sondern sie wirklich zu erreichen.
Storytelling kann dabei helfen. Doch Geschichtenerzählen ist kein Marketing-Trick, sondern eine Methode, um Inhalte verständlich zu machen, Vertrauen aufzubauen und Ideen greifbar zu vermitteln.
Petra Sammer zeigt in zwei Büchern, wie das gelingen kann: „What’s Your Story?” (2019) richtet sich an alle, die besser präsentieren wollen, „Storytelling” (2025) an alle, die tiefer einsteigen, strategischer denken oder gesellschaftliche Themen mitgestalten möchten.
Beide Bücher richten sich an unterschiedliche Zielgruppen, haben aber eines gemeinsam: einen Werkzeugkoffer für alle, die im Job (und darüber hinaus) besser erzählen wollen. Hier erfährst du, welches Buch für dich geeignet ist oder ob sich sogar beide lohnen.
Hinweis: Bei der Ausgabe von “What’s your Story” für die Buchrezension handelt es sich um ein Rezensionsexemplar. Dieses hat mir der O’Reilly Verlag freundlicherweise zur Verfügung gestellt. „Storytelling” hat mir Petra Sammer selbst zugeschickt. Damit sind allerdings keinerlei Auflagen verbunden – O’Reilly und Petra haben auch keine gestellt. 😉 Die folgenden Rezensionen basieren auf meiner eigenen – nicht beeinflussten – Meinung.
Über die Autorin
Kreativ. Kommunikativ. Geschichtenerzählerin. Mit diesen Worten lässt sich Petra Sammer am besten beschreiben.
Bevor sie sich selbstständig machte, war sie 25 Jahre als Beraterin, Chief Creative Officer, Geschäftsführerin und Global Partner bei der internationalen Kommunikationsagentur Ketchum tätig. Während dieser Zeit hat sie zahlreiche Preise gewonnen – ich könnte einen ganzen Listen-Beitrag nur mit ihren Preisen machen. Allerdings würde das den Rahmen des Beitrags sprengen. 😉
Mit ihrer Erfahrung berät sie Marken und Unternehmen in Sachen Marketing, PR sowie Unternehmenskommunikation. Ihre Schwerpunkte bei all diesen Disziplinen kannst du wahrscheinlich schon erraten: Ideenentwicklung, Strategieberatung, Planning und Storytelling.
Wie ihre Reise als Storytellerin begann? Mit einem Studium. Sie studierte Filmphilologie und Germanistik, Volkswirtschaft sowie Politikwissenschaft.
Mehr zu Petra Sammer: https://www.petrasammer.com/
Ziele von „What’s your Story?”
Petra Sammers Buch richtet sich an zwei Zielgruppen. Diese haben unterschiedliche Aufgaben, aber ein gemeinsames Ziel: besser erzählen lernen.
Die erste Gruppe sind Macher*innen, also Manager*innen, Teamleitungen und Wissenschaftler*innen. Menschen, die Ideen, Innovationen oder Forschungsergebnisse vermitteln. Ihnen soll das Buch dabei helfen, klarer, anschaulicher und wirkungsvoller zu erzählen statt nur zu präsentieren.
Die zweite Gruppe sind Kommunikationsprofis, also Berater*innen, Pressesprecher*innen und Werber*innen. Sie arbeiten mit anderen am Thema Kommunikation und sollen nach der Lektüre in der Lage sein, ihr Wissen in Trainings oder Workshops weiterzugeben.
Das Buch versteht sich nicht nur als Anleitung, sondern auch als Werkzeugkoffer. Wer Storytelling im Berufsalltag einsetzen möchte, findet hier einen strukturierten Einstieg, unabhängig vom eigenen Vorwissen.
Ziele von „Storytelling – Grundlagen, Best Practices und kreative Impulse”
Mit diesem Buch richtet sich Petra Sammer vor allem an Profis aus den Bereichen Marketing, PR und Unternehmenskommunikation, also an Menschen, die beruflich Geschichten entwickeln, verbreiten und begleiten. Eine weitere Zielgruppe sind Kreative und Strateg*innen.
Allen Personen geht es darum, Storytelling gezielt und wirksam einzusetzen – sei es zur Vermittlung komplexer Inhalte, zum Aufbau von Vertrauen oder zur emotionalen Aufladung von Markenbotschaften.
Dazu liefert das Buch nicht nur Grundlagen und Best Practices, sondern auch kreative Impulse, beispielsweise durch den Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT oder die Entwicklung von Core Stories.
Petra stellt Storytelling als Werkzeug für Kommunikation, Markenführung und kulturelle Veränderung in einem größeren Kontext dar.
Aufbau von „What’s your Story?“
- 201 Seiten
- 1. Auflage 2019
- 9 Kapitel
- Vorwort
- Index
- Literaturübersicht
- Über die Autorin
- Kolophon
Das Buch ist in neun Kapitel gegliedert und führt Schritt für Schritt ins Thema Storytelling ein – mit Fokus auf den Einsatz im Berufsalltag, besonders in Präsentationen.
Zum Einstieg geht es um die Rolle von Storytelling im heutigen Arbeitsumfeld und warum es nicht mehr reicht, nur Fakten aufzuzählen. Kapitel zwei zeigt, wie Geschichten wirken und was sie auslösen.
Im dritten Kapitel stellt Petra Sammer ihr „pssst-Modell“ vor, mit dem sich Inhalte erzählerisch statt rein informativ vermitteln lassen. Kapitel vier betont, dass starke Geschichten persönliche Aspekte brauchen.
Kapitel fünf gibt eine Übersicht für Methoden, die sich gut in Präsentationen einsetzen lassen. Wie diese in eine sinnvolle Struktur gebracht werden, zeigt Kapitel sechs.
Kapitel sieben dreht sich um Emotionen – wie sie gezielt eingesetzt und ausgelöst werden können. Danach geht es um Techniken, die das Erzählen wirkungsvoller machen, gerade beim Präsentieren.
Im letzten Kapitel wirft Petra Sammer einen Blick in die Zukunft: Welche Rolle wird Storytelling künftig spielen?
Aufbau von „Storytelling“
- 375 Seiten
- 3. Auflage 2025
- 13 Kapitel
- Vorwort
- Literaturübersicht
- Index
- Über die Autorin
- Kolophon
Das Buch gliedert sich in dreizehn Kapitel, die einem klaren Aufbau folgen: Jedes Kapitel endet mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte, liefert Inspirationen und weiterführende Buchtipps.
In den ersten fünf Kapiteln werden die Grundlagen behandelt: Was ist Storytelling, welche Funktion erfüllt es und warum ist es für Marken, Marketing, PR und Kommunikation relevant?
Die Inhalte sind fundiert, aber dennoch leicht verständlich aufbereitet.
In den Kapiteln sechs bis zehn werden dann die zentralen Elemente guter Geschichten beleuchtet: Figuren und Held*innen, der Spannungsbogen, emotionale Bilder, Konflikte und Wendepunkte.
Petra Sammer zeigt, wie diese Bausteine wirken und wie man sie gezielt einsetzt.
Kapitel elf widmet sich dem digitalen Raum: Wie funktionieren Geschichten im Web? Kapitel zwölf beleuchtet den kreativen Prozess des Storytellings.
Das abschließende Kapitel wagt den Blick nach vorn: Wie wird sich Storytelling in Zukunft verändern?
Was kannst du mit dem Buch erreichen?
Schon der Untertitel macht deutlich, worum es geht: „Leadership Storytelling – für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen.“ Das klingt nach einer engen Zielgruppe, aber ich finde: Auch wenn du nicht in einer klassischen Führungsrolle bist, kannst du einiges mitnehmen.
Zum Beispiel bei Präsentationen. Früher oder später musst du vor anderen sprechen, sei es im Teammeeting, auf einer Konferenz oder in einem Pitch. Kapitel acht liefert dir dafür konkrete Erzähltechniken, die dir helfen, klarer und überzeugender zu kommunizieren.
Außerdem zeigt dir Petra Sammer, wie Geschichten wirken. In Kapitel zwei geht es um die Grundlagen:
- Wie aktiviert eine Geschichte das Gehirn?
- Warum erinnern wir uns besser an gut erzählte Inhalte?
Dieses Wissen hilft dir, gezielter und wirkungsvoller zu erzählen.
Ein weiterer Punkt ist die Struktur. Gute Geschichten fallen nicht vom Himmel, sondern folgen einem klaren Aufbau. Das Buch liefert dir einfache Modelle, mit denen du deine Inhalte ordnen kannst, ohne sie zu überfrachten.
Und dann ist da noch der persönliche Aspekt: deine eigene Geschichte. Wer sich mit Storytelling beschäftigt, kommt irgendwann an den Punkt, an dem es um Selbstpräsentation geht. Petra Sammer nennt das die „Signature Story“. Das ist eine Geschichte, die zu dir passt, dich zeigt und trotzdem einen Mehrwert für dein Publikum bietet.
Was kannst du mit dem Buch erreichen?
Wenn du Menschen überzeugen, dir Gehör verschaffen oder in der täglichen Informationsflut nicht untergehen willst, liefert dir dieses Buch das nötige Werkzeug. Es inspiriert dazu, wieder klarer, verständlicher und wirkungsvoller zu erzählen.
Du lernst, wie du mit Geschichten Aufmerksamkeit erzeugst und komplexe Botschaften so vermittelst, dass Vertrauen in Ideen, Produkte oder ganze Marken entsteht. Petra Sammer zeigt dir die wichtigsten Bausteine und Erfolgsformeln für gute Geschichten und deren sichere Anwendung.
Mithilfe von Kreativtechniken und praktischen Impulsen unterstützt dich das Buch dabei, eigene Storys zu entwickeln. Dabei geht es auch um moderne Erzählformen wie visuelles und Data Storytelling oder den Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT.
Und: Es macht deutlich, dass Storytelling Verantwortung bedeutet.
Du lernst, die Wirkung deiner Geschichten einzuschätzen, auch im Hinblick auf Manipulation oder emotionale Übersteuerung. Wer erzählen will, sollte auch reflektieren.
Darüber hinaus öffnet das Buch den Blick für die Geschichten von morgen: Wie kann Storytelling dabei helfen, der Klimakrise zu begegnen? Wie lassen sich demokratische Werte durch gute Erzählungen stärken?
Petra Sammer zeigt, dass Storytelling nicht nur ein Kommunikationswerkzeug ist, sondern auch ein Mittel, um gesellschaftliche Veränderungen zu begleiten.
Highlights: Das finde ich an „What’s your Story“ gut
Meine persönlichen Highlights:
- Die „Signature Story“: Im vierten Kapitel geht es darum, wie du deine eigene Geschichte entwickelst: ehrlich, persönlich und dennoch strategisch. Gerade für Introvertierte ist dies ein gutes Werkzeug, um vorbereitet in Gespräche oder Präsentationen zu gehen.
- Die „pssst-Methode“: Petra Sammers eigene Herangehensweise ans Storytelling: passioniert, storylastig, strukturiert, sinnlich, technisch. Sie macht das Thema greifbar und zeigt, wie vielseitig das Erzählen im Berufsalltag sein kann.
- Klare Strukturen für Geschichten: Anstelle von reiner Theorie gibt es konkrete Modelle und Aufbauten, mit denen du deine Präsentation in eine Story verwandelst – nachvollziehbar und direkt anwendbar.
- Fundiertes Wissen zur Wirkung von Geschichten: Im zweiten Kapitel erfährst du, warum Storytelling nicht nur nett ist, sondern wie es auf neurologischer Ebene funktioniert. Das ist hilfreich, wenn du dich nicht nur unterhalten, sondern wirklich etwas vermitteln willst.
Das Buch enthält für mich viele praktische Impulse, insbesondere für alle, die regelmäßig präsentieren oder andere von ihren Ideen überzeugen möchten. Es ist kein Schnellschuss, sondern ein solides Arbeitsbuch, das beim Erzählen im Berufsalltag wirklich weiterhilft.
Highlights: Das finde ich an „Storytelling“ gut
Meine persönlichen Highlights:
- Besonders hilfreich finde ich die vielen kleinen Tipps, die Petra Sammer im Laufe der Kapitel verteilt. Am Ende jedes Kapitels gibt es eine kompakte Zusammenfassung mit Learnings, Inspirationen und weiterführenden Buchtipps.
- In jedem Kapitel hast du den Abschnitt „Ihre Aufgabe als Storyteller“. Das sind praktische Übungen, die das jeweilige Thema aufgreifen und dich sofort ins Tun bringen. Das hier ist ein Arbeitsbuch und kein Lesebuch zum Weglegen. 😉
- Die Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Recherche und Vorarbeit mit KI für eine Core Story fand ich sehr nützlich. Ein bisschen Eigenleistung bleibt natürlich nicht aus, aber die Anleitung nimmt viele Hürden.
- Richtig stark ist auch das Format des Story-Workshops. Es funktioniert sowohl im Team als auch allein. Somit eignet es sich auch, wenn du dich allein durch das Thema arbeiten möchtest. Die Erklärungen sind klar, die das Kapitel „Ihre Aufgabe als Storyteller” an den richtigen Stellen platziert.
Storytelling bietet mir deutlich mehr praktische Impulse und Inspirationen als „What’s Your Story?”.
Spätestens zur Hälfte war meine Liste mit Fachbüchern voll. Danke, Petra. 😉
Zusammengefasst: Meine Meinung zu „What’s your Story?“
Das finde ich gut:
Das finde ich weniger gut:
Zusammengefasst: Meine Meinung zu „Storytelling“
Das finde ich gut:
Das finde ich weniger gut:
Interview mit der Autorin
Was war für dich der Moment, in dem du wusstest: Es ist Zeit für eine neue Auflage?
10 Jahre Storytelling – das spricht doch wohl für sich. Die erste Auflage kam 2014/2015 raus. Im deutschsprachigen Raum war es eines der ersten Fachbücher über Storytelling in PR und Marketing und belegte fast drei Jahre lang Platz eins auf dem Amazon-Ranking für PR-Fachbücher.
Der Storytelling-Hype damals war enorm groß. Alles war neu. Damals waren wir Pioniere, heute sind wir in einer ganz anderen Situation. Storytelling ist eine etablierte Kommunikationstechnik. Zeit für ein Grundlagenbuch.
Welche Themen oder Entwicklungen wolltest du diesmal unbedingt aufnehmen und warum gerade diese?
Es gibt ein Basiswissen über Storytelling, das jeder Marketing-Mann und jede PR-Frau verinnerlichen sollte. Die Grundlagen zu dieser Kommunikationstechnik sind entscheidend, denn nur wer die grundsätzlichen Spielregeln dieser Methode kennt, kann damit souverän umgehen und sie gegebenenfalls auch kreativ brechen.
Heute sehen wir viele Spielarten des Storytelling, die Auswahl an Formen und auch Kommunikationskanälen ist enorm und sie wächst kontinuierlich weiter. Mit KI kommt ein neuer Player ins Spiel – auch und ganz besonders für Storyteller. KI wird die Art und Weise, wie wir Geschichten formen und wie wir sie ausspielen, verändern. In meinem Buch gebe ich einen Überblick, an welchen Stellen es besonders konstruktiv ist, sich KI als „Co-Autor“ dazu zunehmen und wo die Risiken für Storytelling mit KI sind. Auch war mir in diesem Buch wichtig, die Chancen und Möglichkeiten von Storytelling für die Unternehmens- und Markenkommunikation auszuweiten. Bisher haben wir in Marketing und PR die Technik des Storytelling vorwiegend eingesetzt, um Image und Absatz zu fördern.
Unternehmenskommunikation kann jedoch viel mehr. Gute Marken- und Unternehmensstorys können gesellschaftspolitische und zukunftsrelevante Themen wie Demokratiesicherung und Klimaschutz voranbringen. Unternehmen und Marken sollten sich hier kommunikativ stärker einbringen und diese notwendige Diskussion positiv voranbringen. Auch dazu gibt es im Buch Tipps, Anregungen und herausragende Beispiele.
Wie hat sich dein Blick auf Storytelling seit der ersten Auflage verändert?
Vor zehn Jahren war Storytelling ein Buzzword und Hype. Ich selbst glaubte, dass in einigen Jahren der „Spuk“ vorbei sein werde und wir wieder zur rationalen Produktkommunikation zurückkehren. Ich hatte mich sehr getäuscht – und hätte auch niemals zu träumen gewagt, welche Vielfalt an Kommunikationskanälen für Unternehmen und Marken hinzukommen werden. Heute benötigen wir – um all diese Kanäle zu füllen – ebenso eine Vielfalt an Content und Formaten. Ohne Storytelling wäre das niemals zu schaffen.
Gibt es eine Geschichte oder ein Beispiel aus der neuen Auflage, die dir besonders am Herzen liegt?
Eines meiner absoluten Lieblingsbeispiele ist die Story „The Last Observers“ von Patagonia.
Ein ganz wunderbarer, stiller, hoch emotionaler Dokumentarfilm über ein altes Ehepaar, die letzten offiziellen Wetterbeobachter an der Küste Schwedens. Der Film ist unglaublich berührend. Er erzählt von einer tiefen Verbundenheit und Liebe zwischen zwei Menschen und ihrer Hingabe und Passion zur Natur.
Natürlich gefällt mir diese Arbeit, weil ich ursprünglich Filmphilologie studiert habe und ein Faible für gut gemachte Filme habe. Aber abgesehen vom künstlerischen Anspruch dieses Dokumentarfilms, ist diese Art des Storytellings auch extrem mutig und hoch strategisch. Der Film fügt sich perfekt in das Markenbild von Patagonia und seine strategische Ausrichtung.
„We are in business to save our home planet“ ist das Mission-Statement der Outdoormarke und jegliches Storytelling ist genau auf diese Core Story ausgerichtet. So auch „The Last Obervers“. Es erfordert aber Mut, eine Geschichte zu erzählen, die nicht sofort knallt und grell die Bedürfnisse von Social Media erfüllt, sondern eine Story, die sich langsam entwickelt und sich im Stillen entfaltet. Für die Zielgruppe dann aber genau die richtige Wirkung entfaltet. Ein wunderbares Beispiel für eine der vielen Spielarten von Storytelling – die heute alle nebeneinander bestehen.
Wie beeinflussen neue Technologien wie KI oder Social Media das Geschichtenerzählen heute und wie gehst du im Buch damit um?
Social Media hat die Art und Weise, wie wir erzählen, extrem verändert. Nicht in allen Aspekten. Immer noch sollte jeder Storyteller – insbesondere in Marketing und PR – wissen, was die „beherrschende Idee“ seiner Story ist, die Core Story. Er oder sie sollte wissen, aus welchem Blickwinkel oder Perspektive erzählt wird – also den Protagonisten oder die Heldin der Story definieren.
Jede gute Story braucht auch heute noch einen Wendepunkt oder Höhepunkt. Geschichten handeln von etwas und in ihnen verändert sich etwas. Das ist nach wie vor eine der Definitionen, an denen man Storys erkennt. Aber die Formen des Erzählens ändern sich und die Struktur, in der wir erzählen. Social Media hat auf jeden Fall dafür gesorgt, dass wir schneller erzählen und vor allem, dass wir schneller zum Wendepunkt springen. Aufgrund der geringen Aufmerksamkeitsspanne und dem schnellen Wechsel in den Feeds müssen Storyteller viel schneller den Höhepunkt einer Story preisgeben. Die Hinführung – oder „aufstrebende Handlung“, wie Gustav Freytag dies nannte – fällt heute fast weg.
Inwiefern KI das Geschichtenerzählen verändert, ist schwer abzuschätzen. Gegenwärtig sprechen alle über die Optimierungsmöglichkeiten durch KI – also „Supercharching Storytelling with AI“. Autorenteams und Screenwriter arbeiten schon seit Jahren mit diesen Technologien. Sie nutzen KI, um den Einstieg, die Anfangssequenzen von Filmen zu optimieren, um Handlungsverläufe spannender zu gestalten, um Serien besser zu takten und um sich Ideen für dramatische Wendepunkte und Happy Ends zu geben.
Mithilfe von KI werden Exposés, Scripte und Drehbücher analysiert, um herauszufinden, an welcher Stelle eventuell die Aufmerksamkeit der Zielgruppe verloren geht und wie man emotionaler oder spannender erzählen kann. Von der KI gibt es dann Tipps, die Musik dramatischer zu gestalten, im Schnitt etwas zu verändern, den einen oder anderen Dialog zu verkürzen, Protagonisten zu wechseln oder Handlungsstränge zu verändern. All das ist heute Storytelling-Alltag.
Heute haben wir auch in PR und Marketing Zugriff auf Chat-GPT, CoPilot und Co und nutzen diese, um Texte zu optimieren und Bildmaterial schnell, effizient und genau nach unseren Wünschen zu produzieren. Wir testen Content und spielen mithilfe von KI optimiert aus. Die Grundmuster guter Storys bleiben dabei meist gleich, nur die Art und Weise, wie wir produzieren, verändert sich.
Ob sich der Einsatz von KI langfristig auf das Geschichtenerzählen selbst auswirkt, eine Technik, die wir Menschen seit 40.000 Jahren anwenden, ist bislang nicht absehbar. Ich glaube, dass sich die Grundform der Story auch durch KI nicht ändern wird. Sicher jedoch wird sich unsere Einstellung zu Storys ändern – ganz so, wie sich auch unsere Wahrnehmung von Realität und Fiktion ändern wird. Das 20. Jahrhundert war das Zeitalter des Storytellings im traditionellen Sinn. Noch nie haben Menschen so viele Geschichten produziert und rezipiert wie im 20. Jahrhundert. Dabei haben sie immer unterschieden zwischen „Story“ und „Realität“. Im 21. Jahrhundert verschwimmt diese Unterscheidung. Wir leben in einer Zeit, in der Fiktion und Realität nicht mehr voneinander unterscheidbar sind.
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Was beobachtest du bei Unternehmen, wenn sie Storytelling einsetzen: Was gelingt, was geht oft schief?
Die Professionalität im Umgang mit Storys ist enorm gewachsen. In allen Bereichen: nicht nur große, internationale Unternehmen nutzen Storytelling, auch kleine, mittelständische Betriebe nutzen Storytelling hervorragend für ihre Botschaften. Zwei Dinge haben all diese Firmen in den letzten Jahren wirklich gelernt: Um eine gute Geschichte wirken zu lassen, muss man den Mut haben, sich selbst zugunsten der Story zurückzunehmen und nicht in jedem Bild das Logo und den Markennamen rausballern.
Auch haben viele Unternehmen verstanden, dass Storytelling „exemplarisches Erzählen“ ist. Dass man eben anhand eines ausgewählten Beispiels sehr gut auch Grundsätzliches ansprechen kann. Und das sind dann aber auch die zwei Dinge, die immer noch schiefgehen: Viele Unternehmen verwechseln Storytelling immer noch mit Leistungsschau für Marke und Unternehmen und packen einfach zu viele Informationen in ihre Story. Die damit dann einfach nicht besser wird, sondern schlechter.
Was macht für dich heute eine wirklich gute Unternehmensstory aus – jenseits von Buzzwords und schönen Bildern?
Entscheidend für eine gute Geschichte ist die Core Story. Die „beherrschende Idee“ hinter einer Story. Die Kernaussage, die der Story zugrunde liegt und die in einem einzigen Satz formuliert werden sollte. Gute Unternehmensstorys haben eine relevante und motivierende Core Story.
Eigentlich kennen wir das alle aus dem Kunstunterricht: „Was möchte uns der Künstler mit diesem Werk sagen?“ – So hat man die Kunstlehrerin doch noch im Ohr, oder? Es ist die gleiche Frage, die wir uns stellen, wenn wir Storys von Marken und Unternehmen sehen, lesen, hören. Eine wirklich gute Geschichte wirft diese Frage allerdings gar nicht erst auf, sondern vermittelt durch gutes Storytelling, dass das Unternehmen oder die Marke „wirklich etwas zu sagen hat“. Und das muss mehr sein als nur „komm her und kaufe mein Produkt“.
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Wie sind deine eigenen Erfahrungen und Projekte der letzten Jahre in die Neuauflage eingeflossen?
In den letzten Jahren sind im deutschsprachigen Raum zahlreiche Bücher zum Thema Storytelling auf den Markt gekommen. Viele haben – zu meiner Freude – aus meinen Büchern zitiert. Etliche Beispiele, die ich verwendete, haben fast ein Eigenleben erhalten und wurden immer weiter erzählt. Was ein Zeichen für gutes Storytelling ist, wenn Geschichten so gut sind, dass sie weitergereicht werden.
Zu all meinen Büchern – bisher habe ich drei Bücher zum Thema Storytelling geschrieben (Storytelling in Marketing und PR, Visuelles Storytelling und Leadership-Storytelling) – habe ich vor allem zwei Komplimente bekommen: Meine Bücher sind angenehm zu lesen und sie sind gut strukturiert. Zu meiner Freude hat es sich an zahlreichen Unis und Hochschulen als Standardwerk etabliert, obwohl es ein Praxisbuch ist. Anhand zahlreicher Beispiele und Storys soll das Buch vor allem inspirieren.
So präsentiere ich auch eine Methodik, die sich in Marketing und PR praxisnah anwenden lässt. Aufgrund meiner fast 30-jährigen Karriere in einer internationalen Agentur und als Kommunikationsberaterin kann ich einschätzen, was funktioniert und was nicht. Genau das ist es, was viele an meinen Büchern schätzen.
Was würdest du jemandem mit auf den Weg geben, der sich gerade erst mit Storytelling beschäftigt?
Abgesehen davon, dass er oder sie mein aktuelles Buch kaufen soll? Ich rate jedem, sich so viele Markenstorys und Unternehmensgeschichten anzusehen, wie möglich. In vielen meiner Workshops erlebe ich, dass die Kolleginnen und Kollegen in Unternehmen, aber auch in Agenturen, viel zu eingespannt sind im Tagesgeschäft, dass sie kaum Zeit haben, sich Inspiration und Anschauungsmaterial zu holen.
Doch es ist so wichtig, sich laufend informiert zu halten, welche Storys funktionieren und welche nicht, und sich von anderen Marken, Branchen und Bereichen inspirieren zu lassen. Viele erweitern ihren kreativen Horizont zu wenig und lassen ihre Storytelling-Muskeln untrainiert. Es ist leicht gesagt, sich vom hektischen Arbeitsalltag loszulösen und das sinnlose Doomscrolling auf Social Media zu stoppen, um den Kopf freizubekommen.
Und doch ist es das Beste, was Storyteller machen können: ein bisschen Zeit freischaufeln, um bewusst nach guten Storys zu suchen und sich inspirieren lassen. Ich hoffe, dass mein Buch dazu einen Beitrag leisten kann.
Zwei Bücher, zwei Ansätze und ein Ziel: besser erzählen
Die beiden Bücher von Petra Sammer liefern fundiertes Wissen, praktische Ansätze und hilfreiche Methoden rund ums Erzählen. Sie tun dies aus unterschiedlichen Perspektiven, verfolgen aber ein gemeinsames Ziel: Storytelling im Berufsalltag verständlich, anwendbar und (vor allem) wirksam zu machen.
„What’s Your Story?” eignet sich besonders gut für Einsteiger*innen, die im beruflichen Kontext erzählen statt nur präsentieren möchten. Besonders Führungskräfte, Teamleitungen und Kommunikationsverantwortliche finden hier kompakte Modelle, klare Anleitungen und mit der „pssst-Methode“ eine Einführung in das Erzählen im Business. Der Fokus liegt auf Präsentationen, der Ton ist direkt und praxisnah. Auch ohne Führungsrolle lassen sich viele Impulse in die eigene Arbeit übertragen. Das Buch funktioniert daher als Werkzeugkoffer für all jene, die andere überzeugen möchten.
„Storytelling“ geht inhaltlich breiter und auch tiefer. Es richtet sich an Kommunikationsprofis, Kreative sowie Strateg*innen, die Storytelling konzeptionell und strategisch einsetzen möchten. Neben den klassischen Grundlagen bietet das Buch viele kreative Impulse, eine klare Struktur und Ausblicke auf moderne Erzählformen wie Data Storytelling oder den Einsatz von KI. Es zeigt, wie Storytelling Marken stärkt, Vertrauen aufbaut und gesellschaftliche Themen begleitet.
Beide Bücher bieten Orientierung, Impulse und Werkzeuge. „What’s Your Story?” ist der Einstieg, „Storytelling” die erweiterte Werkzeugkiste. Wer sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigen möchte, ist mit beiden gut beraten: je nach Bedarf, Erfahrung und Einsatzfeld.