Viel zu selten tauschen wir uns über unsere Lebensläufe aus. Vor allem dann, wenn man Quereinsteiger ist. Mit der #Quereinstiegsparade macht Edda Klepp Schluss damit und bietet allen Quereinsteigern die Möglichkeit über ihren beruflichen Werdegang zu sprechen. Das folgende Interview beleuchtet den Lebenslauf von Eva Maria Goldmann.

 

Tweets und eine Blogparade für Quereinsteiger

Alles fing mit dem Beitrag „Berufswechsel: So ist mir der Quereinstieg gelungen“ von Edda Klepp an. In ihrem Blog-Beitrag schilderte sie ihren Werdegang und die damit verbundenen Herausforderungen. Ihre Gedanken zum beruflichen Einstieg und zum Berufswechsel fanden bei vielen Quereinsteigern Anklang – auch bei mir.

Um weitere Erfahrungen zu sammeln und andere Quereinsteiger zu Worte kommen zu lassen, rief Edda die #Quereinstiegsparade ins Leben. Jeder, der über Umwege zu seinem Job gekommen ist oder einen Wechsel in einen vollkommen anderen Beruf gewagt hat, kann an der Parade teilnehmen.

Bevor ich mich an meinen Blogparadebeitrag gesetzt habe, ergab sich auf Twitter ein Austausch, der mich dazu veranlasste ein Interview mit Eva Maria Goldmann zu führen. Denn nicht jeder Quereinsteiger hat die Zeit oder den Blog, um bei der Parade mitzumachen. Um Eva Maria die Teilnahme zu ermöglichen, haben wir schlussendlich das Interview-Format gewählt.

Ich bin mir sicher, dass der eine oder andere von ihren Erfahrungen profitieren kann. Außerdem ist es immer wieder motivierend, Lebensgeschichten von anderen Quereinsteigern zu lesen.

Falls du ein Kommunikator oder PRler mit einem abwechslungsreichen oder außergewöhnlichen Berufseinstieg bist, melde dich gerne in den Kommentaren oder via E-Mail. 😉

 

So kam es zum Quereinsteiger-Interview mit Eva Maria Goldmann via Twitter.

 

Interview mit Eva Maria Goldmann

Ich habe Eva Maria Goldmann – wie viele andere Kontakte in meinem Netzwerk – via Twitter kennengelernt. Sie ist eine Quereinsteigerin, unterscheidet sich aber von anderen Quereinsteigern in einem Punkt: Sie hat den Quereinstieg bereits mehrmals hinter sich gebracht – mit Erfolg, wie dieses Interview zeigen wird. Vom Journalismus über den Außendienst und das Community-Management bis hin zum Personalmanagement: Sie hat viele berufliche Stationen absolviert.

Mehr über ihren Lebensweg, was Quereinsteiger ihrer Meinung nach auszeichnet und warum sie nichts vom „roten Faden“ hält, erfährst du im folgenden Interview.

 

 

Wer deinen Lebenslauf auf Xing liest, kann erkennen, dass du während deines Studiums das Fach gewechselt hast. Wie kam es zu dem Wechsel von den Geisteswissenschaften zur Biologie?

Im Grunde wollte ich immer Biologie/Biochemie studieren, da ich aber in der Schule nicht wirklich zu den fleißigsten zählte, habe ich mir gedacht, dass sei kein Studium für mich. Außerdem war ich nach dem Abi für ein Jahr als AuPair in Frankreich. Ich hab Französisch geliebt und liebe es immer noch, so lang es für mich nahe, Romanistik zu studieren. Für Geschichte habe ich mich auch schon immer interessiert, damit war das zweite Fach definiert. Nur Lehrerin wollte ich in keinem Fall werden, also habe ich auf Magister studiert.

Im Laufe des ersten Semesters wurde mir immer klarer, dass ich zwar an den Fächern meinen Spaß hatte, aber sich irgendwie keine Zukunftsvision daraus ergeben wollte.

Zweiter Grund und jetzt wird es peinlich: Außerdem musste ich das Große Latinum nachmachen. Das Kleine hatte ich bereits, aber mit dem Abstand zum Schulunterricht eigentlich alles vergessen. Ich sage Euch, dieser Latinumskurs war das Grauen. Es war wie in einer Schule im 19. Jahrhundert. Raum, Lehrmethode und Lehrender passten auch zu dem Bild… Mir wurde klar, dass ich das nicht packen würde.

Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich später ähnliche fiese Hürden überwinden musste, aber dann wusste ich genau wofür und hatte die Energie, aber in diesem Fall eben nicht. Also habe ich mir einen Studentenjob gesucht, rein um Geld zu verdienen und bin in mich gegangen, was ich wohl wollen würde. Ich kam auf meinen alten Traum – Biochemie. Jetzt war mir auch klar, dass ich das Studium nun durchhalten würde und mich auf jeden Fall durch alles durchkämpfen würde. Leicht fiel mir alles biologische, chemische, aber durch Physik, Mathe und Statistik musste ich mich genauso durchbeißen, wie ich das für das Latinum gemusst hätte. Nur hatte ich dieses Mal ein deutliches Ziel.

 

Danach warst du Außendienstmitarbeiterin. Dein erster Quereinstieg war in den Journalismus. Du hast als Redakteurin beim Hessischen Rundfunk gearbeitet. Hat dir der Job Spaß gemacht? Warum fiel deine Wahl auf diesen Beruf?

Ich war nie ein Typ, der wahnsinnig dezidierte Pläne für sein Leben hatte und diese dann minutiös umgesetzt hat. Sonst sähe mein CV auch nicht so aus, wie er aussieht. In diesem Fall war mir klar, dass ich nicht mehr weiter im Außendienst arbeiten wollen würde. Ich hatte bereits gekündigt ohne den vorhin angesprochenen minutiösen Plan, was ich dann machen wollte.

Das Volontariat bzw. die Journalistenschule ist mir dann so über den Weg gelaufen und ich habe die Gelegenheit sofort beim Schopf gegriffen. Das Volontariat war irre anstrengend, viel härter als Studium, spätere Jobs zusammen. Danach war ich ein Jahr beim Hessischen Rundfunk, allerdings als freie Freie (es gibt dort verschiedene Abstufungen von Freien Mitarbeitern und vor allem als neue freie Freie war man Laufvieh, bekam die unattraktiveren Jobs etc). Es hat mir Spaß gemacht dort, trotz der häufigen Unsicherheit, wieviel Jobs ich überhaupt bekomme und ob ich mich damit über Wasser halten kann. Konnte ich nicht und deshalb kam es zu dem nächsten Wechsel, der zunächst aus der Not geboren war.

 

Darauf folgte ein Wechsel ins Community Management. Wie würdest deinen Einstieg ins digitale Marketing beschreiben? Wie hast du dir das notwendige Wissen angeeignet?

Bevor ich bei Jobpilot/Monster angefangen habe, war ich noch ein halbes Jahr bei einem klassischen StartUp, welches keiner mehr kennt (pleite, wie so viele andere). Hier habe ich den Aufbau von Marketing und PR übernommen. Wie ich eben schon gesagt habe, war das aus der Not geboren. Ich brauchte einen anständig bezahlten regelmäßigen Job, um Miete, Essen und Rechnungen zu bezahlen.

Diesen Job mochte ich wenig und meinen Chef gar nicht, also habe ich mich schon nach kurzer Zeit angefangen umzusehen. 2000 war die Zeit, als es immer mehr Stellen für Online-Redakteure gab. Der Begriff Content kam auf. Auf Online-Redaktionsstellen habe ich mich klassisch beworben. Den Beruf und damit eine „gängige“ Karrierestrategie hierfür gab es noch nicht, also waren alle Kandidaten Quereinsteiger. Jobpilot lud mich ein, machte mir ein (moralisches) Angebot und fragte mich aber direkt vor meinem Einstieg, ob ich nicht auch die neu zu gründende Community übernehmen wollte. Ich wollte. Neues hat mich schon immer fasziniert und wie sich im Nachhinein herausstellte, liegt es mir wohl, neue Dinge aufzubauen.

Es gab keinen, den ich fachlich hätte fragen können. Es gab ein paar US-amerikanische Community-Manager, aber was diese schrieben, passte so gar nicht auf meine Aufgabe bei jobpilot. Also schaltete ich meinen gesunden Menschenverstand ein (ein ganz prima Tool, passt eigentlich auf alle Jobs) und überlegte mir eine Strategie. Erstaunlicherweise hatte ich mit meinem ersten Schuss schon ziemlich gut gelegen, sodass die Community schnell an Fahrt aufnahm.

Ich hatte immer wieder mal Kolleginnen als Sparringspartner und zusammen hatten wir alle möglichen Ideen, die wir umsetzten, ausprobierten, korrigierten, wenn sie nicht funktionierten.
Dann kam 2008 das Social-Media-Management dazu. Inzwischen hatte ich 8 Jahre Erfahrung im Community-Management. Das alte Tool „gesunder Menschenverstand“ und die Erfahrungen aus der Community zusammengefasst, mit Kollegen aus der Marketing-Abteilung, die richtig Lust auf das Neue hatte, ließ auch die zuerst zarten Pflänzchen der Präsenzen in den sozialen Medien wachsen.

 

Derzeit arbeitest du im Personalmanagement. Was genau sind deine Aufgaben? Wie nutzt du deine bisherige Berufserfahrung für diesen Beruf?

Ich bin für alles verantwortlich, was das Thema Personal betrifft für jeden, der einen wie auch immer gearteten Anstellungsvertrag bei der EHD hat – außer der Lohnabrechnung. Ich bin eine One-Woman-Show, das macht es ein bisschen schwierig, weil es für Urlaub oder Krankheit keinen Ersatz gibt. Übrigens ist der Umstieg von einem jungen Internetdienstleister zur einer Hochschulverwaltung ein echter Kulturschock.

Was mir nutzt für meine aktuelle Aufgabe? Ich habe Personalarbeit 14 Jahre lang aus Betriebsratssicht begleitet und alle Themen rund um Personal, Recruiting, Karriere, Weiterbildung etc auch theoretisch als Community- bzw Social-Media-Managerin. Das ist das Eine.

Außerdem habe ich die letzten knapp 3 Jahre bei monster als Konfliktmanagerin/Mediatorin gearbeitet (mit entsprechender Ausbildung). Kurz bevor ich hier bei der EHD angefangen habe, habe ich auch noch meine Weiterbildung zur Personalreferentin beendet, sodass ich erstmalig seit ewigen Jahren tatsächlich auch eine Ausbildung passend zum Job habe. J Nichts desto trotz nützt mir hier mein Lieblingstool gepaart mit der Erfahrung als Betriebsrätin am meisten. Meine Social-Media-Zeit könnte mir super nutzen, wenn wir tatsächlich mal mit EmployerBranding anfingen … Die Ausbildung ist eigentlich nur für die Personaler, die mich zukünftig einstellen, weil eben immer noch die meisten nach Zeugnissen gucken und nicht, ob sich der Mensch für den Job eignet.

 

Was zeichnet deiner Meinung nach einen QuereinsteigerIn aus? Haben diese Menschen Stärken? Welche Vorteile haben sie gegenüber anderen Mitbewerbern?

Quereinsteiger zeichnet meiner Meinung nach Neugier aus, außerdem Mut etwas neues anzupacken. Bedenkenträger können Quereinsteiger eigentlich nicht sein, denn häufig geben sie Sicherheiten auf: sicherer Job bis zu Rente, regelmäßigen Lohn etc. Vermutlich zeichnet Quereinsteiger auch die Fähigkeit aus, vorbei kommende Chancen als solche zu erkennen und zu ergreifen.  Womit wir aber wieder beim Mut wären …

Wie alle Menschen habe auch Quereinsteiger Stärken: z.B. Flexibilität, Neugier, dann sehr unterschiedliche (Berufs)Erfahrungen, den Wunsch über den Tellerrand zu schauen. Für meine Begriffe gehören Quereinsteiger genauso zum gesunden Mix eines Unternehmens wie diejenigen, die lieber auf ihren geplanten Pfaden wandeln oder auf Sicherheiten bauen. Die braucht man auch dringend! Nur mit Quereinsteigern ein Unternehmen zu führen, könnte schwierig sein.

 

Du bist mehrmalige Quereinsteigerin. Hast du Tipps für Menschen, die überlegen, noch einmal neu anzufangen? Gibt es Do’s und Dont’s, die sie beachten sollten.

Oje, das ist nicht so einfach. Ich kann sagen, dass Angst hinderlich ist. Wenn man gern Sicherheiten hat, ist ein Umstieg schwieriger und mehr eine Geldfrage als sowieso schon: Kann ich mir eine Aus-, Weiterbildung oder Studium leisten? Kann ich mir Zeiten mit Null-Einkommen leisten?

Wie ich oben geschildert habe, bin ich Ende der 90er in eine Situation gekommen, wo ich mir nicht mehr leisten konnte für wenig Geld für den Hessischen Rundfunk zu arbeiten und einfach den nächsten Einigermaßenjob nehmen musste, der um die Ecke bog. Ja, das kann Quereinstieg auch bedeuten: Nicht nur bunte Einhörner die Glitzerstaub husten, sondern Schwierigkeit die Miete zu bezahlen und die Notwendigkeit einen Nicht-Traumjob anzunehmen. Erstaunlicherweise können sich solche Jobs aber auch als gut herausstellen: Man lernt viel, beißt sich durch und weiß hinterher besser, was man will.

Dieses Mal war ich auch knapp wieder vor dieser Situation, aus Geldgründen etwas annehmen zu müssen, aber Wunder geschehen auch für Quereinsteiger. Die EHD kam um die Ecke und bot mir an, sie im Personalmanagement zu unterstützen.

Do‘s and Dont’s? Eigentlich fühle ich mich nicht berufen, hier eine Liste zu machen. Jeder Quereinstieg ist vermutlich anders. Manchen gelingt das ohne Arbeitgeberwechsel andere müssen einen riesen Zirkus veranstalten und Umwege gehen, bis sie da sind, wo sie hinwollen. Schwierig, hier was Allgemeingültiges zu sagen. Das Einzige, was, glaube ich, immer zählt ist: Risikobereitschaft und Neugier, Bereitschaft zu lernen.

 

Den roten Faden im eigenen Lebenslauf finden – das ist eine große Herausforderung für alle QuereinsteigerInnen. Siehst du das genau so? Wie kann man einem Personaler den eigenen roten Faden möglichst einfach begreiflich machen?

Wozu brauche ich einen roten Faden? Den brauchen nur Personaler der alten Garde. Die finden dann allerdings auch nur diejenigen Mitarbeiter, die sie schon immer gefunden haben. Wenn sie das wollen und ihr Unternehmen das braucht, ist ja alles in Ordnung. Wenn nicht, tja dann wird das Unternehmen wohl abgehängt werden J oder sie hören auf nach Fäden welcher Farbe auch immer zu suchen, sondern suchen nach Menschen, die zum Unternehmen und ins Team passen und die entweder in die Aufgabe hineinentwickelt werden können oder schon zum großen Teil passen.

Aber ja, ich könnte auch in meinen Zickzacklebenslauf einen roten Faden hineininterpretieren. Aber was soll das bringen? Damit bin ich kein besserer Mitarbeiter oder Kollege, damit weiß ich nicht mehr und bin nicht grandioser. Meine Kompetenz, meine Stärken sieht man daran, dass ich es immer wieder geschafft habe, mich in neuen Situationen und Aufgabenfeldern zu bewähren. Was will ich mehr.

 

Gibt es den richtigen Augenblick, um einen beruflichen Neuanfang oder Quereinstieg zu wagen? Wann sollte man den ersten Schritt gehen bzw. wann sollte man noch warten?

Da kann ich keine allumfassende Tipps geben. Jede Situation ist anders. Klar, wenn man z.B. betriebsbedingt gekündigt wird und eventuell eine Abfindung auf der hohen Kante hat, dann lohnt es sich vermutlich, immer mal über eine Lebensrichtungsänderung nachzudenken. Aber diese Situation kann man a) nicht herbeiführen und b) kann sie auch manchmal zur Unzeit kommen, nämlich wenn man so richtig glücklich war in diesem gekündigten Job und in ein großes emotionales Loch abrasselt.

Eine Situation für die Idee zum Wechsel ist sicher, wenn man anfängt unter seinem Job zu leiden. Morgens jeden Tag ungern zu Arbeit fährt (dass das vorkommt ist normal, aber wenn der Hass auf den Job zum Alltag wird, dann macht das krank!) und wenn einem in dieser Situation klar wird, dass es mehr an der Aufgabe liegt als am betrieblichen Umfeld.

Wann jemand wartet oder den Schritt wagt, ist eine zutiefst persönliche Entscheidung, die von vielen Rahmenfaktoren abhängt: z.B. Familie, Gesundheit, persönliches Energielevel – dass ich da lieber keine allgemeingültige Aussage zu treffen möchte.

 

Quereinstieg: Mit Neugier und Risikobereitschaft ans Ziel

Es gibt viele Möglichkeiten als Quereinsteiger an sein persönliches Berufsziel zu gelangen. Manchmal braucht es mehr als einen Berufswechsel, bis man seinen Platz im Beruf gefunden hat. Das Interview mit Eva Maria Goldmann zeigt genau diesen Weg auf.

Weitere spannende Lebensläufe und Anekdoten rund um Berufwechsel und Quereinstieg findet man unter dem Hashtag #Quereinstiegsparade auf Twitter oder im Blogparade-Beitrag von Edda Klepp.

 

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